AmeriCar-Life ist die neue Rubrik, in der Leser ihre Fahrzeuge vorstellen oder wie AmeriCar.de-Leser Tim C. Werner einen Bericht über ihr Lieblings-US-Car verfassen. Der Rechtsanwalt aus Frankfurt schreibt eine Ode an den Mercury Grand Marquis.
2007 - Nach dem Ende von Chevrolet Caprice und Buick Roadmaster im Jahr 1996 erwischt es auch den Crown Vic, wie der Ford Crown Victoria von seinen Fans genannt wird. Ohne ein Wort des Abschieds wird die Limousine aus dem Ford-Programm genommen und fortan nur noch als Fleet Car, d.h. für Feuerwehr, Polizei und Behörden, angeboten. Gegen die Einstellung des auf der selben Plattform stehenden Lincoln Town Car hagelt es Proteste, so dass die Ford Motor Company zusichert, ein letztes Band im kanadischen St. Thomas (Ontario) noch bis 2011 laufen zu lassen.
Starrachse und ein unzerstörbarer V8
Zwischen den beiden Extremen (Lincoln für den Luxus, Ford für den kleinen Mann) findet sich ein weiteres, ebenfalls auf der Panther-Plattform aufbauendes Relikt aus der längst vergangenen Ära der US Fullsize Cars: Der Mercury Grand Marquis, kurz MGM: Body-On-Frame, Starrachse hinten und am anderen Ende der nicht enden wollenden 5,41 Meter langen Karosserie ein unzerstörbarer V8. Vierventiltechnik, verstellbare Nockenwellen und ähnlichen Schnickschnack gibt es nicht, dafür sind Laufleistungen von einer halben Millionen Meilen keine Seltenheit - Heavy Duty meets Low Tech Approach.
Ähnlich einfach gestaltet sich die Konfiguration des Wunschmodells: Während Europäer regelmäßig verzweifeln, wenn es darumgeht, das auserwählte Fahrzeug zusammenzustellen (man schaue nur in die Prospekte der Hersteller wie BMW-Tochter Mini), so ist beim Mercury Grand Marquis alles an Bord: 17-Alufelgen, Lederausstattung, Klimaautomatik, elektrische Sitze (inkl. dem elektrisch verstellbaren Lendenwirbelschutz), beheizte Außenspiegel, CD-Player und Platz für sechs Personen inkl. 580 Liter Gepäck. Apropos Gepäck: Wer in der kalten Jahrezeit in die Wintersportgebiete aufbricht, der legt (!) sein Equipment einfach in den Kofferraum, Skier bis 1,90 Meter länge finden hier bequem Platz. Und das gilt in Colorado genauso wie in Tirol.
Ein Motor muss reichen und geschaltet wird nicht, das übernimmt die bewährte Vierstufen-Lenkradautomatik: Hier sorgen nicht weniger als 14 Liter Getriebeöl (!) für butterweiche Fahrstufenwechsel. Die Liste der Sonderausstattungen umfasst lediglich sechs Positionen, unter anderem kann man zusätzlich zum digitalen Audiogenuss noch einen Kassettenspieler (die Älteren erinnern sich noch daran) ordern. Unverzichtbar allerdings: Die aufpreispflichtige Sitzheizung. Die Mühe, das Dach aufzuschneiden, um den Wagen um ein Sun Roof zu bereichern, macht man sich schon seit Jahren nicht mehr. Schade eigentlich.
Mercury Grand Marquis ist ein Anachronismus
Das Cop-Car, wie ihn die Amerikaner nennen, ist ein Anachronismus; ich aber finde, Anachronismus (wörtlich übersetzt gegen die Zeit) ist ein schönes Wort in einer immer komplizierter werdenden Welt voller selbsttragender Karosserien, voller frontgetriebener Cadillacs, voller vorne quer eingebauter, turboaufgeladener würdeloser Vierzylindermotörchen. Anachronismus heißt für mich: Ich bilde mir nicht ein, dass früher alles besser war, früher war tatsächlich alles besser!
Wer einmal in einem Grand Marquis Platz genommen hat, der steigt nicht mehr um. Nie mehr. Weil er weiß, dass er angekommen ist. Weil er weiß, dass es nichts besseres gibt und vor allem: Dass es niemals mehr etwas Besseres geben wird und es nie vorher etwas Besseres gab.
Mein 1994er Ford Crown Victoria hat weniger verbraucht als ein Golf
Wer ein solches Gefährt und sei es auch in jungen Jahren erwirbt, der kann sicher sein, dass noch die Erben etwas davon haben: Der Wagen geht einfach nicht kaputt, Wartung und Ersatzteilversorgung sind einfach und billig. Während europäische Werkstätten nicht selten etliche Arbeitsstunden in Rechnung stellen müssen, um irgendein Kleinstteil zu ersetzen, ist beim Mercury Grand Marquis alles sehr leicht zugänglich und reparaturfreundlich angelegt. Das sollte man mal lobend betonen, anstatt die US-Cars immer wieder als antiquierte Spritfresser zu stigmatisieren (ich selbst habe lange Jahre einen 1994er Ford Crown Victoria mein Eigen nennen dürfen, und der hat weniger verbraucht als ein Golf GTI der aktuellen Baureihe).
Dies alles sorgt dafür, dass die Verkaufszahlen des Mercury nicht sinken. Eine kleine, aber treue Fangemeinde sagt sich immer wieder, wie einst Konrad Adenauer: Keine Experimente! Interessant zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die sogenannte No-Stock-Policy des Ford-Konzerns: Mercurys stehen nicht im Showroom, sie werden bestellt und dann nach Wunsch produziert. Car-On-Demand, wenn man so will. Für gut 29.000 US$ (21.000 EUR).
Text: Tim C. Werner
Fotos: Ford
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2 Kommentare
Wity1
6. März 2010 17:10 (vor über 14 Jahren)
Chevy454
3. März 2010 20:24 (vor über 14 Jahren)
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