Happy Birthday: 60 Jahre Letter Cars

Die Geschichte der Chrysler 300 Letter Cars

Happy Birthday: 60 Jahre Letter Cars: Die Geschichte der Chrysler 300 Letter Cars
Erstellt am 19. Juni 2015

Chrysler hatte in den 50er Jahren unwissend einen Meilenstein in der Firmeneigenen Geschichte kreiert, als sie einen potenten Konkurrenten zu Chevrolet und Ford auf die Räder stellen wollte. Leistung und Luxus resultierten in dem 300 Letter Car...

 



Chevrolet hatte seit 1953 die Corvette als sportliche Komponente im Portfolio und Ford zog mit dem Thunderbird nach. Chrysler hatte weder einen offenen Zweisitzer im Programm noch in Planung. Aus der Not machte man eine Tugend und so investierte man in den zweitürigen New Yorker Body. Optisch waren die 55er Modelle New Yorker mit Imperial-Grill und Windsor Kotflügel. Es gab sie in einer kleinen, handgefertigten Serie nur in den Farben Schwarz, Rot oder Weiß. Sie hießen damals noch C300 und gelten heute historisch gesehen als das erste "Letter Car", allerdings ohne den Appendix A. Dank des 331-ci-Hemi mit 300 PS wurde der Chrysler C300 zum damals schnellsten Serienwagen wurde und sorgte auf dem Daytona Speedway für Schlagzeilen (("The Car That Swept Daytona")). Der Name "300" stammte übrigens aus der entwickelten Leistung Hemi-Aggregats.

Das erste "echte" Letter Car war der 56er 300B, bei dem die Kunden zwischen zwei Motoren, beide mit nun 354 ci Hubraum, mit 340 bzw. 355 PS und verschiedenen Getrieben wählen konnten. Der 300B war somit das erste Serienauto, das eine Pferdestärke pro Kubik-Zoll lieferte. Das "Horsepower-Race" der Hersteller begann. Mitte des Jahres offerierte Chrysler die erste Push-Button-Automatik. Im Vergleich zum Vorgänger erfuhr die Karosse nur minimale Veränderungen, wie kleine Flösschen anstelle der Rückleuchten und neue Stoßstangen. Im Innern brillierten die 300er mit einer schicken Echt-Leder-Ausstattung und einem 150-Meilen-Tacho (240 km/h), schließlich stellte man auch einen Rekord von 142 mph auf der "Fliegenden Meile" auf.

Im 57er Modelljahr waren die Modelle der 300er Serie gewachsen, Chryslers Star-Designer Virgil Exner zeichnete auch für das extravagante Design mit den eleganten Heckflossen des 300C verantwortlich. Anstelle des zweigeteilten Grills saß nur ein trapezförmiger an der Front, eingerahmt von Doppelscheinwerfern, die aber noch nicht in allen Bundesstaaten erlaubt waren. Zum ersten Mal blickten die Insassen durch eine Panorama-Windschutzscheibe. Mittlerweile gab es neben sage und schreibe fünf wählbaren Außenfarben auch eine Cabrio-Variante. Unter der Haube wurde der 354er Hemi gegen einen größeren 392ci-Hemi-V8 mit 375 bzw. 390 PS getauscht, auch das Fahrwerk erfuhr ein Update, ab sofort sollten alle Fahrzeuge mit Drehstabfederung anstelle von Schraubenfedern ausgeliefert werden.

Waren es Sparmaßnahmen, oder warum ähnelte das 58er Modelljahr dem Vorgängermodell? Hier sollten lediglich ein schlichterer Grill und geänderte Rückleuchten die 300Ds von den C-Letter Cars unterscheiden. Unter der Haube des 300D arbeitete zum ersten Mal auch ein Motor mit Bendix-Benzineinspritzung, aber nur 16 Modelle wurden damit ausgerüstet. Eine große Rezession sorgte allerdings dafür, dass auch sonst nur sehr wenige Fahrzeuge in diesem Modelljahr abgesetzt werden konnten. Da die 58er Modelle die ersten mit einem Computer waren, hatten sie schnell den Namen "Mighty Chrysler" weg.


Für die 1959er Modelle hatte Chrysler einen kostengünstigeren Motor entwickelt. Anstelle des Hemi werkelte nun ein sogenannte Wedge-Motor "Golden Lion" mit 413 ci Hubraum. Serienmäßig lieferte der leichtere Block mit winklig angeordneten Brennräumen in den Zylinderköpfen ebenfalls 380 PS. Erneut und zum dritten Mal in Folge wurde die Optik aufgewärmt, lediglich andere Rückleuchten und eine andere Heckstoßstange sowie neu gestylter Grill machten den 300E aus.


Der große Wandel kam dann mit dem neuen Jahrzehnt. In der Geschichte der Heckflossen tauchen die der 60er Fullsize-Chrysler als die wohl längsten auf. Die "Vogelschwingen" beginnen bereits in der Fahrertür und enden in einer scharfen Spitze oberhalb eines winkligen Rücklichts. Dazwischen befand sich etwas, was wie eine Art Reserverradabdeckung namens "Flight Swept" sein wollte, in der Bevölkerung aber spöttisch nur Toilettensitz genannt wurde. Das 300er-Logo fand nun zusätzlich zu den Seiten auch im Grill Verwendung. Alle Chrysler-Modelle hatten nun auch eine selbsttragende Karosserie anstelle eines Leiterrahmens. Für spektakuläre Performance sorgte das neue Ram Induction System, bei dem das Benzin-Luft-Gemisch von zwei Vergasern produziert wurde, die sich seitlich gegenüberstanden. Als Option gab es ein Viergang-Getriebe von der französischen Firma Pont-a-Mousson. Der Big Block schaffte es auf stolze 400 Pferde und -manuell geschaltet- die 100-km/h-Marke schon nach 7,2 Sekunden! Der 300F war außerdem der erste 300er, der mit vier Einzelsitzen gebaut wurde. Unter einer halbkugeligen Abdeckung namens Astra-Dome befanden sich nun alle Instrumente außer dem Drehzahlmesser.

1961, erneut bekamen die 300er eine neue Optik. Lange Flossen ragten in den Himmel und die doppelten Scheinwerfer standen diagonal, passend zum dem oben breiteren Trapezgrill mit Chrom-Kreuz und 300G-Logo. Die winkligen Rücklichter wurden nach unten gesetzt, in die Flosse kamen verchromte Einfassungen mit rundem Rückfahrlicht. Mit dem 300G entfiel die Option für das Vierganggetriebe. Anstelle der kleinen 14-Zöller fuhr man jetzt bei Chryslers auf 15-Zoll-Rädern.

Mit dem 62er Modelljahr gab es gleich mehrere historisch-bedeutende Wechsel. Virgil Exner hatte das Design Elwood Engel überlassen (müssen), die Flossen waren verschwunden, an deren Stelle erinnerten jetzt nur noch die Rückleuchten. Chrysler entwertete seine Letter-Serie mit einem Nicht-Letter-300, der die eingestellten Windsors ersetzen sollte. †über 25.000 Exemplare wurden in dem Jahr verkauft, aber nur 558 von "The Real Thing".

Die 63er Modelle namens 300J, das "I" hätte in der Historie oder in der Lesbarkeit für Verwechslungen gesorgt, hatte nicht mehr den Glamour der Letter-Cars, ähnelte optisch mehr den normalen Chryslern. Die Karosse wirkte "schwerer", die breiten C-Säule waren dafür hauptsächlich verantwortlich. Die Scheinwerfer saßen nun wieder nebeneinander und runde Rückleuchten befanden sich unterhalb des nach hinten abfallenden Kofferraums. Optisch ein Desaster! Experten sprechen von "aufgeräumt und funktional".

Auf eine offene Cabrio-Variante hatte man in diesem Jahr zum ersten Mal seit 1957 verzichtet, was sich zusammen in den bis dato niedrigsten Verkäufen (400 Exemplare) widerspiegelte. Allerdings: Eine offene Non-Letter-Version führte das Indy-500-Rennen am 30. Mai 1963 an, von dem Chrysler 2.167 Replikas von dem Pace-Car baute. Die 300J wurden nur mit dem 390 PS starken 413-ci-V8 ausgeliefert.


Die herben Verluste belehrten die Marketing-Stategen und von dem K-Modell gab es auch ein Cabriolet. Der 64er Jahrgang übernahm den Body des Vorgängers, aber feine Änderungen an ihm bescherten Chrysler einen Verkaufsrekord! 3.022 Hardtops und 625 Cabriolets liefen in diesem Modelljahr von den Bändern. Was vielleicht auch an der Auswahl von 17 Außenfarben oder wohl eher an dem rund 500 US-Dollar günstigeren Basispreis lag. Der resultierte unter anderem aus der neuen, alten Basismotorisierung mit 413-ci, jetzt allerdings nur mit einem Vierfachvergaser und 360 PS. Aber optional gab es noch den potenteren 390 PS-Motor. Auf die Push-Button-Bedienung der serienmäßigen Automatik musste fortan verzichtet werden, dafür hatte Chrysler wieder ein manuelles Getriebe im Angebot.

Das vorläufige Ende der Letter Cars wurde mit den 65er Modellen eingeläutet. Alle Chrysler-Modelle kamen in einem komplett neuen Look, den man heute als typisch Sixties bezeichnen würde. Klare Karosserieformen, gerade Kanten, ohne viel Schnick-Schnack. Der kantige C-Body glich den großen Lincolns nicht von ungefähr, schließlich war Designer Engel zuvor für den Ford-Konzern tätig gewesen. Der Grill kam wieder in Form einen breiten Kreuzes mit einem L-Logo in dessen Mitte. Daneben saßen die doppelten Scheinwerfer, die in einen mit einer Scheibe versehen Kasten verbaut waren. Darüber stand zum ersten Mal auf der Haube der CHRYSLER-Schriftzug. Das Heck fiel ebenso schlicht und elegant aus wie die ganze Karosse, eine Edelstahlblende verband optisch die Rückleuchten im Panel. Zum Abschluss der Letter-Car-Serie bot Chrysler den 300L nur mit dem 360 PS starken 413-ci-V8 an. Obwohl die 300er in ihrer Größe gewachsen waren, im Innern boten sie den Passagieren weniger Platz als noch 1964.

Hier sollte die Geschichte der Letter Cars vorerst enden. Es gab zwar noch einen 300M-Prototypen für das 66er Modelljahr, der in Serie mit dem neuen 426-ci-Hemi-V8 gebaut worden wäre. Doch aus Zeit- und Kapazitätsgründen kam es nie soweit und somit verließ das bis dahin letzte echte Letter Car am 27. November 1964 das Werk. Die 300er-Modelle erfuhren 1966 einen wahren Boom und liefen noch bis 1971er Modelljahr im Programm weiter.

Für MY 1970 gab es noch eine Besonderheit, die zwar nicht als Letter Car gilt, aber ebenfalls zu den Horsepower-Sportcars gehört und an dieser Stelle Erwähnung finden sollte: Der Chrysler 300-H, wobei das H hier für Hurst steht. Die Hurst Performance Corp. baute auf Basis des serienmäßigen 300er Coupes ein PS-Monster mit 440-ci-V8-Aggregat, das auf den Namen TNT härte. Motorhaube mit funktionierendem Lufteinlass und Kofferraumdeckel mit integriertem Spoiler waren aus Gewichtsgründen aus Fiberglass hergestellt. Eine Weiß-Goldene Lackierung sorgte für eine außergewöhnlichere Optik.

1979 brachte man außerdem noch ein "Special Edition"-300-Modell auf Basis des Cordobas heraus, das es nur in weiß mit roten Lederinterieur erhältlich war.

Im Jahr 1998 wollte die Chrysler Corporation an die erfolgreiche Letter-Car-Vergangenheit anknüpfen und präsentierte stolz den Chrysler 300M. Der Appendix schloss - obwohl mehr als 30 Jahre vergangen waren - sich nahtlos an den 300er Modellen des Jahres 1965 an. Der 300M kam allerdings als Viertürer, es gab kein Cabriolet und keinen V8! Zunächst arbeitete im 300M ein 3,5-l-V6 (215 ci) mit 253 PS. Mit einem neuen Automatik-Getriebe, das der Fahrer via "Autostick" auch manuell bedienen konnte, setzte Chrysler Zeichen, allerdings aber auch auf den Frontantrieb, der die Leistung nicht immer auf die Straße bringen konnte. Immerhin fuhr Chrysler in Sachen Top-Speed und Beschleunigung noch in derselben Liga: 0-100 km/h in 8,8 s und Vmax waren 230 km/h ((143 mph)). Später bot man noch einen sparsameren aber auch leistungsärmeren 2,7-l-V6 an. Die Optik des 300M unterschied sich deutlich von dem was sonst auf den Straßen in dieser Klasse unterwegs war und kann als fortschrittlich bezeichnet werden. Die Karosserie war sehr aerodynamisch und Fahrerorientiert. Im Innern herrschte Luxus pur und das zu einem konkurrenzlos günstigen Preis von damals rund 70.000 Deutschen Mark (ca. 35.000 Û).

Im Jahr 2001 gab es für die Fans des Heckantriebs und des Hemis ein Concept-Car namens 300 Hemi C-Concept. Das Cabrio erinnerte optisch stark an den 300M und diente als Präsentationsobjekt für den neuen 5,7-l-Hemi-V8, der mit hemisphärischen, als halbkugelförmigen Brennräumen, zwei Zündkerzen pro Zylinder, rund 353 PS und 479 Nm Drehmoment aufwartete.

Anfang 2004 präsentierte DaimlerChrysler schließlich die neuen 300er Modelle, die neuen Stars im Chrysler-Portfolio. Es gibt eine viertürige Limousine und einen viertürigen Kombi - und erstmals wieder einen würdigen Antrieb. Endlich ist wieder die Hinterachse angetrieben (es gibt auch einen opt. AWD-Antrieb) und in Sachen Leistung kommt man auch fast wieder auf traditionelle Werte: Die Formel "Ein Kubik-Zoll pro Pferdestärke" verpasst der neue 5,7-l-Hemi-V8 des 300C um gerade mal fünf Pferdchen. Auch in der Performance bringt der 300C Spitzenwerte: in 6,4 s erreicht er die 100er Marke, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 250 km/h. Und das zu einem außergewöhnlichen Preis, der gerade noch unter der magischen 50.000 €-Marke liegt. Basismotorisierung ist der 2,7-l-V6 (193 PS) sowie ein 3,5-l-V6 (253 PS). Neben dem Performance-Modell SRT-8 mit einem 425 PS starken 370-ci-V8 (0-100: ca. 5,2 s), das im Frühjahr 2005 auf den Markt kam, setzte Chrysler auf Ökonomie und so befindet sich -"europatauglich"- auch eine Diesel-Variante in der Motorenliste.

Seit dem 2011er Modelljahr ist die Wiederauflage der 300er Modelle modellgepflegt worden, wurde dann aber nicht mehr offiziell als Chrysler auf dem deutschen Markt angeboten - sondern, umgelabelt zum Thema, als Lancia angeboten - doch auch das ist mittlerweile Geschichte...

Text: Thomas Frankenstein
Fotos: Chrysler, Archiv

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